Silber

Unser Silber
Die Bruderschaften im Bundes-, aber auch in unserem Bezirksverband Mönchengladbach Rheydt Korschenbroich haben eine lange, zum Teil auf das 15. Jahrhundert zurückgehende, Tradition. Unsere Bruderschaft allein wird erstmalig in einer Urkunde aus dem Jahre 1475 erwähnt. Wie ebenfalls im ersten Teil unserer Geschichte beschrieben, wird mindestens seit dem Jahre 1555 im Gladbacher Land auf den Vogel geschossen. Anders als bei den Übungen auf Zielscheiben, war und ist der Vogelschuss immer auch mit ein wenig Glück verbunden. Somit hatte auch der nicht ganz so geübte Schütze die Chance einmal im Leben Schützenkönig zu werden. Zudem waren und sind bei den Bruderschaften gesellschaftlicher Status und materieller Wohlstand grundsätzlich nicht von vorrangiger Bedeutung um Mitglied oder König werden zu können, was einen untadeligen Lebenswandel als Grundvoraussetzung allerdings keineswegs ausschließt. Auch der vermeintlich „Geringste" konnte somit die Königswürde erlangen.
Nichtsdestotrotz dienten Schiessübungen, gerade jene auf Zielscheiben, auch der allgemeinen Wehrhaftigkeit und Schutzfunktion, welche sich nicht nur die jeweiligen Landesherren, sporadisch für Dahlen 1583 bezeugt, gerne zu Nutze machten. In dieser Hinsicht gut geschult, konnte auch das eigene Leben verteidigt werden. Bei Bedarf auch der Heimatort bzw. die Heimatstadt, wobei hier sicher die meist geringe Mannzahl für diese Aufgabe nicht ausreichte. Allerdings dienten die Übungen auf Schießbahnen, für Gladbach und Dahlen schon früh nachgewiesen, sicher nicht alleine zur Ertüchtigung für den Vogelschuss. Schon immer wurden dem besten Schützen, aber auch dem Schützenkönig besondere Privilegien zuteil, sei es durch Vergünstigungen bei Steuern und Abgaben oder auch die befristete Befreiung von allgemeinen Verpflichtungen und Diensten, die damals wohl jeder Bürger zu leisten hatte. Bereits um die Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert wurde der jeweilige Schützenkönig, noch vorher sicherlich der Brudermeister, als Vorsitzender der Gemeinschaft, mit wertvollen Silberschilden und Amtsketten als Zeichen ihrer Würde bedacht. Sehr eindrucksvoll schreibt Wilhelm Ewald 1933 in der Zeitschrift des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege über die Rheinischen Schützengesellschaften. Auf über 235 Seiten, wird über Entstehung und Sinn unserer Gemeinschaften berichtet, wovon allein 38 Seiten in einem gesonderten, reich illustrierten Kapitel den Schützensilbern und -ketten gewidmet sind. Die meisten meiner nachfolgenden Aussagen, gerade auch jene über unser Königssilber, finden für viele unserer Bruderschaften in gleicher oder ähnlicher Form im Werk Ewalds ihre Bestätigung. „Der Silberschatz der Bruderschaften im Gladbacher Land“, so lautet der Untertitel des von Britta Spies verfassten Buches „Schützen - Glanz und Gloria". In ihm findet eine gute, ebenfalls reich bebilderte Zusammstellung/Ausarbeitung über die im Besitz der einzelnen Gemeinschaften befindlichen Silberschilde und -ketten statt. Aber auch Brudermeisterstäbe, auch Piken oder Peeken genannt, welche schon früh aus Silber gefertigt und den ehemaligen Saufedern (Spitzwaffen) nachempfunden wurden, sind dort abgebildet und beschrieben. Die ältesten Silberschilde stammen überwiegend aus den Anfängen des 18. Jahrhunderts, so auch eine Platte von 1706 der ehemaligen Junggesellenbruderschaft aus Rheindahlen, vormals Dahlen genannt, gestiftet von Antonius Scholl J.U. Doctor Vogt zu Dahlen. Einige wenige Bruderschaften besitzen Schilder oder einen Schützenvogel aus dem 17. Jahrhundert, wie den Silbervogel der St. Barbara Männer Bruderschaft Neuwerk, auf dem die Jahreszahl 1698 eingraviert ist. Silberplatten aus dieser Zeit existieren aus dem Jahre 1692 in Waldhausen sowie aus dem Jahre 1663 von der ehemaligen Bruderschaft, mit dem Namen „Unserer lieben Frau" aus Odenkirchen. Königsplatten aus dem 16. Jahrhundert sind in unserem Bezirksverband nicht zu finden und auch sonst eher selten erhalten. Beispielhaft hier aufgeführt eine kleines Schildchen aus Brühl und zwei weitere Schildchen aus meinem Privatbesitz.
Man kann davon ausgehen, dass in früheren unruhigen Zeiten zahlreiche wertvolle Bruderschaftsutensilien wie Silberplatten und -ketten zum einen Raubzügen und Plünderungen zum Opfer fielen und zum anderen zahlreich und unwiderbringlich zur Tilgung von Schulden und Kontributionen in den Schmelztiegel wanderten, wie Ewald berichtet. Einige Bruderschaften ließen dann ersatzweise größere einfache Platten anfertigen und gravierten, darauf wenigstens die Namen und Jahreszahlen der Könige, um deren Andenken für die Nachwelt zu erhalten; so geschehen mit Teilen des Königssilber der ehemaligen Kirchspiel's St. Helenabruderschaft zu Dahlen. Noch im 20. Jahrhundert gingen wertvolle Schützenketten während und zum Ende des Zweiten Weltkrieges auch durch Soldaten der Siegermächte verloren, welche diese Souveniers und vermeintlichen Wertgegenstände widerrechtlich an sich und mit in ihre Heimat nahmen, nur wenige Stücke kehrten zurück. Die meisten wertvollen Ketten und Insignien wurden vergraben, eingemauert oder anderweitig über den unseligen Krieg gerettet. Immer wieder aber, bei Auflösung oder Ruhen der Bruderschaft (vielfach infolge des Mitgliederschwunds) wurden Schützenketten dann leider unrechtmäßig zu Geld gemacht. Wie mir persönlich bekannt, ist dies z.B. in Stolberg Mausbach und Köln Nippes geschehen. Auch werden immer wieder einzelne Silberplatten, aber auch Anno Santo Kreuze und Ordenssterne auf den einschlägigen Internetplattformen zum Kauf angeboten.
Das wertvolle Königssilber unserer St. Vitus Laurentiusbruderschaft weiß ebenfalls eine wechselvolle Geschichte zu erzählen, wobei die Geschichte des Silbers der ehemaligen St. Laurentiusbruderschaft Junggesellenbruderschaft, mit der wir beginnen wollen, vorläufig leider schnell erzählt ist. Es existieren lediglich noch eine größere Platte mit der Aufschrift „König St. Laurentiusbruderschaft" und eine weitere, in die der Bruderschaftsname mit dem Zusatz „Stadt M. Gladbach" sowie die Jahreszahl 1898 eingraviert ist. Darüber hinaus ist nur noch ein weiteres rundes, verziertes, mittelgroßes Silberschild mit der Aufschrift „König G. Schumacher“ und der Jahreszahl 1889 vorhanden. Auf diversen alten Vorstandsbildern von vor dem zweiten Weltkrieg, sind noch andere Silberplatten zu sehen, welche allerdings von Vorstandsmitgliedern getragen und leider heute nicht mehr vorhanden sind
Neue, kunstvolle Silberkette gefertigt mit besonderer Unterstützung durch die Volksbank Mönchengladbach
Historisch vereinigt mit den letzten Königssilberplatten 
der damaligen St. Laurentiusbruderschaft Mönchengladbach zum sogenannten „Saalsilber“, auch kleines Silber genannt.
Mittlerweile wurden die drei Platten der ehemaligen Laurentiusbruderschaft mit einer neuen kunstvollen Kette, angeschafft mit besonderer finanziellen Hilfe durch die Volksbank Mönchengladbach zum sogenannten „Saalsilber" auch historisch wieder vereinigt. Das Königssilber der Vitus Bruderschaft besteht aktuell aus 33 Silberplatten und Sternen sowie einem Königsvogel aus massivem Silber, der von Max Wieczorek (ehemals Modehaus Wico auf der Hindenburgstraße) anlässlich seines Königsjahres 1973 gestiftet worden ist. Mit den drei Platten der Laurentius Bruderschaft umfasst unser Königssilber insgesamt 36 Silberschilde und Sterne sowie besagten Königsvogel. Für die beiden Brudermeister/Minister sind zudem jeweils eine Kette mit anhängender Plakette und der Aufschrift „Brudermeister der Vitus Bruderschaft“ vorhanden. Diese beiden Plaketten sind aus dem Jahre 1925, was daran festzumachen ist, dass sich auf der Vorderseite eine diesbezügliche Gravur befindet. Könige oder Brudermeister, wahrscheinlich eigenmächtig und mehr oder weniger professionell, in Form einer Gravur auf der Rückseite verewigt, lassen sich auf vielen Silberplatten finden. Immerhin können auf diese Weise, so keine Schriftquellen vorhanden sind, die Königs- und Brudermeisterlisten vervollständigt werden. Man stößt in diesem Zusammenhang auf viele weitere Kuriositäten und es lassen sich so Jahreszahlen, Namen und die damit verbundene Ämter häufig verifizieren. Weiterhin existiert für die Vitusbruderschaft eine alte Präsidentenkette mit ovalem Schild, in deren Mitte die Gottesmutter plastisch aufgelegt ist. Auf der Rückseite ist neben diversen Gravuren auch die Jahreszahl 1822 zu sehen. Die Kette hat also mindestens ein Alter von annähernd zweihundert Jahren. Eine alte Hauptmanns- und eine neuere Majorskette sind ebenso vorhanden, als auch eine Kette für den Fähnrich und die beiden Fahnenjunker, letztere allerdings recht einfach gehalten. In der alten Propstei neben der Münsterkirche, ist durch unser Nachfragen kürzlich auch unser erstes „Anno Santo Kreuz" von 1933 wieder aufgetaucht und unserem Präses Dr. Peter Blättler zum Tragen bei allen bruderschaftlichen Ereignissen anvertraut worden. Ganz besonders stolz sind wir auf ein neues Kreuz, welches ordnungsgemäß beim Bund der historischen deutschen Schützenbruderschaften beantragt worden ist und vom Vizepräsidenten getragen wird. Zu dessen Erwerb, so sehen es die Regularien vor, musste außerdem eine Wallfahrt nach Rom im Heiligen Jahr 2016 nachgewiesen werden. Der früheste schriftliche Nachweis über das Schützensilber der Vitusbruderschaft stammt wahrscheinlich von Franz Verres, welcher 1879 im „Niederrheinischen Geschichtsfreund" unter anderem über die Vitus Bruderschaft berichtet, wonach 1809 die Silberschilde des Königssilbers verkauft worden seien, um eine neue Fahne finanzieren zu können. Im Jahre 1867 könnten weitere Platten eingeschmolzen worden sein, da die Vitusbruderschaft in diesem Jahr den neuen Hochaltar für die Münsterkirche gestiftet hat. Diese Silberverkäufe sind zur damaligen Zeit nichts Ungewöhnliches und in der einschlägigen Literatur immer wieder nachweisbar. Bereits 1812 und 1824 sind jedoch auch wieder neue kunstvolle Platten angeschafft worden, wobei die größere der beiden aus dem Jahre 1824, mit dem plastischen Abbild des hl. Vitus, heute von anderen Platten eingefasst ist und als Hauptschild unseres Schützensilbers dient. Eingraviert ist : „STI VITI MARTIRIS IN GLADBACH INSIGNIA CONFRATERNITATIS" Die kleinere, aber ältere Platte von 1812 wird nach der letztjährig durchgeführten Restaurierung, Reinigung und Neugestaltung des gesamten Silbers als Pendant auf dem Rücken getragen. Hierauf hat der Goldschmied sicher auf Anweisung damals folgende Gravur hinterlassen : „GLADBACA TE RUTILANTE VIGET CUM REGE IUVENTA" Da der lateinischen Sprache nicht mächtig, habe ich die Worte in einen Sprachcomputer eingegeben . Mit dem Ergenis: „Gladbach sie glänzet, blüht und gedeiht mit einem jungen König" bin ich erstmal zufrieden. Beide Platten, umrandet mit einem teilweise vergoldeten Strahlenkranz, könnten vom gleichen Gold- bzw. Silberschmied angefertigt worden sein. Ein kleines Verbindungsstück aus vergoldetem Silber, datiert 1866, verbindet die kleinere Platte von 1812 mit einer neuen Silberplatte gestiftet 2017, zur Erinnerung an mein Königsjahr. Zentral dargestellt sind in der Mitte der hl. Vitus flankiert von der hl. Helena und dem Apostel Matthias fußend auf dem Gladbacher Münster.
Weiter existieren zwei mittelgroße Platten von 1838, welche, zum Teil vergoldet, ähnlich den beiden Platten von 1812 und 1824 sind. Auch diese Platten stammen wahrscheinlich aus der gleichen Goldschmiedewerkstatt und wurden ursprünglich für den Hauptmann mit dem Abbild der Himmelskönigin und für den Fähnrich mit dem Abbild des hl. Vitus angeschafft. Schon seit längerem im Gebrauch für die jeweiligen beiden Brudermeister/ Minister, hatten diese Platten arg gelitten und mussten als einzige Stücke fachmännisch durch einen Goldschmied restauriert werden. Zwei Platten von 1870 und 1887 sowie ein kleiner Stern, datiert mit der Jahresangabe 1861 und signiert mit J.M. Dückers, runden den Bestand für das 19. Jahrhundert ab. Auch aus dem 20. Jahrhundert sind wertvolle Platten, insbesondere aus den beiden Jubiläumsjahren 1922 und 1972 erhalten. Zum 550-jährigen Bestehen stiftete der damalige Oberbürgermeister eine größere Silberplatte in Schildform, datiert mit dem 12.8.1972, in deren unteren Teil das alte Gladbacher Stadtwappen farbig emailliert, plastisch dargestellt ist. 
König Heinrich Rippen, in den Jahren 1974/75 auch Bezirkskönig, ließ anlässlich seiner Königswürde eine 10 mal 7,5 cm große Platte mit Silberkordel umlegt anfertigen, mit der Aufschrift „1000 Jahre Mönchengladbach“. Im oberen Teil dieser Platte ist die Darstellung des Abteibergs mit der Münsterkirche reliefartig aufgelegt. Die Königssilber unserer Bruderschaften sind jeweils immer beredte Zeugnisse einer wechselvollen Geschichte und stellen einenunwiederbringlichen Kulturschatz dar. Wie schon erwähnt, ergänzen sie die jeweilige Bruderschaftsgeschichte gerade dort, wo schriftliche Quellen fehlen. Die Platten aus dem 18. oder gar noch früheren Jahrhunderten, welche bei uns zwecks Anschaffung einer neuen Fahne 1809 verkauft bzw. eingeschmolzen wurden, waren sicher, wie in dieser Zeit üblich, mit dem Bruderschaftspatron, dem jeweiligen Namenspatron und/oder mit einer Darstellung des jeweiligen Berufes geschmückt. Die Windmühle für den Beruf des Müllers, der Pflug für den Landwirt oder auch Winkel und Hobel für den Schreiner, sind auf Schützenplatten unserer Gegend immer wieder zu finden. Auch die Heiligen Vitus, Sebastianus, Nikolaus, Antonius, aber auch die hl. Helena und die Gottesmutter Maria, stellvertretend für die ältesten Bruderschaften unserer Stadt, sind im behandelten Zeitraum auf den jeweiligen Schützensilbern und Platten öfter dargestellt. Was früher in den Bruderschaften, teils sogar in deren Statuten, geregelt war, nämlich die Verpflichtung als König auch eine Silberplatte zu stiften und somit auch das Bruderschaftsvermögen zu steigern, ist leider durch die Zentralschilde in jüngerer Zeit vernachlässigt worden. Diese von den Bruderschaften neu angeschafften Königsketten mit nur noch einer größeren zentralen Platte, rundum mit länglichen oder ovalen Schildchen, in die lediglich Namen und Jahreszahlen der jeweiligen Könige eingraviert werden, stellen zumindest einen Verlust an einzigartiger Vielfalt dar.
Ketten, gestaltet aus vielen einzigartigen Schilden, meist nur seit dem 17. Jahrhundert erhalten und als sogenannte Schwellketten bekannt, zeugen von einer wechselvollen Geschichte und sind von hohem materiellen, aber besonders ideellem Wert. Mit Stolz werden gerade diese historischen Ketten von unseren Schützenkönigen, manchmal nur zur Parade oder sonstigen besonderen Anlässen getragen. Animieren wir doch unsere Könige, wieder vermehrt Silberschilde als einzigartige Andenken an ihr Königsjahr zu stiften, wenn dies auch mit nicht unerheblichen Kosten verbunden ist. Hier sollten allerdings die Vorstände der Bruderschaften nicht nur mit Rat, sondern ganz besonders mit finanzieller Hilfe zur Seite stehen, um auch nachfolgenden Generationen ein besonders wertvolles Erbe zu hinterlassen, so wie unsere Väter es für uns getan haben.

Mönchengladbach im Juni 2017
Willi Kempers
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