Fahne

Unsere Fahne
Im Aufsatz über die Geschichte unserer Bruderschaft möchte ich unsere Fahnen vorstellen, soweit sie vorhanden oder in unserer Historie noch belegbar sind. 

Dies geschieht auch aus Anlass der rechtzeitig vor unserem Schützenfest durchgeführten Restaurierung unserer ersten Fahne nach dem Krieg, aus dem Jahre 1956. 
Letztendlich erfolgte mit Abschluss dieser Arbeit auch eine vorläufige Bestandsaufnahme aller noch existierenden Fahnen, Silber, Protokollbücher und sonstigen Gegenstände, welche sich aktuell im Besitz der Bruderschaft befinden. Einige Gegenstände, darunter auch die alte Laurentiusfahne, aber auch sehr alte und wunderschöne gerahmte, historische Vorstandsbilder, befinden sich in der Schützenfeste "Dicker Turm" des Bezirksverbandes, worauf wir künftig bei Bedarf sicherlich Zugriff haben. 

Viele Effekten (lt. Wikepedia wurde mit diesem Begriff früher der bewegliche Besitz bezeichnet), sind leider abhanden gekommen, wobei sich die im Zweiten Weltkrieg erfolgten Flächenbombardements unserer Großstädte diesbezüglich besonders verheerend ausgewirkt haben. 

Auch historisch wertvolles Schriftgut, welches den Krieg unbeschadet überstanden hatte, wurde bei einem Ämterwechsel besonders durch Todesfall, nicht an die Bruderschaft durch die Erben zurückgegeben. Bisweilen wurden diese gerade auch für die Geschichte wertvolle Dinge durch Unkenntnis oder Unachtsamkeit einfach „entsorgt“. 


Gott sei Dank gelangen manchmal noch nach Jahrzehnten Silberplatten, Kassen-und Protokollbücher in den Besitz der Bruderschaften zurück. So wurden auch Fahnen bis in die jüngere Vergangenheit, z. B. in Rheindahlen in den 1960er Jahren, in Räumen der Kirche gefunden. Dergleichen geschah mit unserer Fahne von 1956. Sie wurde im Lagerraum der Bruderschaft, im Haus der Pfarrgemeinde, hinter der Citykirche wieder gefunden. 

"Bunte Tücher, an Stangen befestigt, wehten in Europa seit Jahrhunderten: über Feiern und Zeremonien, militärischen Paraden und mörderischen Schlachten. Fahnen und Flaggen dienten als optische Zeichen und wurden zu Wahrzeichen militärischer Einheiten und ganzer Nationen, deren sakrale Überhöhung sich in Kunst und Literatur spiegelt. Fahnen waren und sind fester Bestandteil von Ritualen der Identifikation im militärischen wie im zivilen Bereich. Sie wurden geweiht und geschmückt, blutig umkämpft und bewusst zerstört. Praktische Funktion, symbolische Bedeutung und Mythos der Fahne waren stets untrennbar verbunden“, schreibt Daniel Hohrath in der Publikation zur Ausstellung "Farben der Geschichte -Fahnen und Flaggen", welche im Jahre 2007 im Deutschen Historischen Museum in Berlin stattfand. 

In selbiger Publikation führt der Potsdamer Historiker und Sportwissenschaftler Berno Bahro aus: "Im 19. Jahrhundert entwickelte sich das Vereinswesen als typische Form freier bürgerlicher Organisation. Eigene Vereinsfahnen und Fahnenzeremoniell knüpften an zunftbürgerliche Traditionen und militärische Vorbilder an. Sie dienten als Zeichen der Zusammengehörigkeit und der gemeinsamen Ideale." Gleiches gilt sicherlich auch für die Fahnen unserer Schützenbruderschaften, wie ich anmerken möchte. 
Einige wenige Bruderschaften besitzen sogar Fahnen aus dem 18. Jahrhundert, da diese oft aus Seide gefertigt waren, befinden sie sich meist in schlechtem Zustand. 

Die älteste bekannte Fahne der Vitusbruderschaft ist lediglich durch ein Bild und den dazu gehörigen Textbeitrag nachweisbar. Angeschafft 1809/1810, soll sich diese Fahne in einem Mönchengladbacher Museum befinden, allerdings nicht in Schloss Rheydt, wie meine Nachfrage dort ergeben hat. Im Protokoll über die damalige Auftragsvergabe an den Fahnenmacher Josef Brooker aus Linn (gemeint ist wohl Krefeld-Linn) ist detailliert aufgeführt, welche Eigenschaften die Fahne haben und aus welchem Material und mit welchen Motiven sie hergestellt werden sollte. Der Kaufpreis ist schriftlich festgehalten und abzüglich zehn Reichstalern Anzahlung bei Auftragsvergabe vereinbart. Diese Fahne ist vom Erlös verkaufter und dann wahrscheinlich eingeschmolzener Silberplatten angeschafft worden, wie bereits im Aufsatz über unseren Silberschatz beschrieben. 

Auf den alten Fotos, welche sich im Bruderschaftsarchiv und im „Dicken Turm“ befinden, ist auch eine Vitusfahne abgebildet. Wahrscheinlich existiert sie heute ebenfalls nicht mehr. Deutlich ist der Hl. Vitus zu erkennen, welcher das Gladbacher Münster in Händen hält. Wahrscheinlich war das Abbild des Hl. Vitus auf Samt gestickt und rundum reich mit weiteren Verzierungen geschmückt. Vom Stil her kann die Fahne wohl auf die Zeit zwischen 1880 und 1920 datiert werden. 
Eine weitere alte Fahne befindet sich, wie eingangs erwähnt, in der Schützenfeste "Dicker Turm". Diese Fahne der ehemaligen St. Laurentius Junggesellenbruderschaft, gibt dann auch auf Umwegen das Gründungsjahr dieser Bruderschaft preis, eine Information, nach der ich bei der Anfertigung meines ersten Aufsatzes zur Geschichte der St. Vitus-und Laurentiusbruderschaft noch intensiv gesucht hatte. 
In einem Beitrag der Rheinischen Post aus dem Jahre 1972 wird über eine Ausstellung von Königssilber und Fahnen in den Räumen der Stadtsparkasse, anlässlich des Bundeskönigsschießens 1972 in Mönchengladbach, berichtet. Das Foto zu diesem Artikel zeigt besagte alte Laurentiusfahne. Als Bildunterschrift ist zu lesen "Fahne der Laurentiusbruderschaft von 1753". 
Die aufgestickte Jahreszahl 1753 markiert dabei das Gründungsjahr der Laurentiusbruderschaft, wohingegen die zweite aufgestickte Jahreszahl 1882 das Entstehungsjahr besagter Fahne angibt. Letzteres bestätigte auch Hubert Schüler in seiner Expertise, die er anlässlich der Konservierung unserer Fahne im Jahre 2005 erstellt hat. 



Diese Fahne der Laurentiusbruderschaft war wohl die einzige, welche die Wirren des Zweiten Weltkriegs überstanden hat und sie diente der schon vereinigten Vitus-und Laurentiusbruderschaft während der Umzüge zum Schützenfest und bei sonstigen Auftritten als Tragefahne. Man war zwar vereinigt, aber zur Kirmes zogen die ehemaligen "Laurentius Jonges" (Junggesellenbruderschaft) als Gruppe zusammen, wie auch die "Vitus Männ" (Vitus Bruderschaft ) immer noch eine eigene Gruppe im gemeinsamen Schützenzug bildeten. Nach Aussage von Albert Kremer konnten sich die Vitusbrüder wohl nicht damit abfinden, auf Dauer nur hinter der Junggesellen-Fahne der Laurentiusbruderschaft herzuziehen, zumal auch die „Männ“ damals noch einen eigenen Vorstand und einen von den„Jonges" abweichenden Mitgliedsbeitrag hatten. Es gab sogar wieder Bestrebungen, 

die zum damaligen Zeitpunkt vielleicht gerade zwanzig Jahre vereinigten Bruderschaften erneut zu trennen, was dann aber Gott sei Dank und nicht zuletzt aufgrund der immer wieder prekären finanziellen Situation nicht umgesetzt wurde. 
Nun war guter Rat teuer, wenn man eine eigene Fahne, die dem Hl. Vitus geweiht sein sollte, anschaffen wollte, um ein ebenbürtiges eigenes Symbol vorzuweisen. Michael Lörs, Robert Adrians, Theodor Fleuren, Hugo Roggendorf, Gerhard Geerlings, Ewald Hoer und viele aktive Mitglieder schufen die finanzielle Basis dieses für die "Vitus Männ" wichtigen Vorhabens. Es gelang schließlich, mit vereinten Kräften wieder eine Vitus-Fahne anzuschaffen. Diese wurde zum Schützenfest 1956 durch Präses Probst Kauf in der Festmesse im Münster neben zwei Schwenkfahnen feierlich gesegnet.

Die, wohl aus finanziellen Gründen, recht einfach gehaltene und trotzdem bemerkenswert schöne Fahne, natürlich mit dem Hl. Vitus und der Münsterbasilika als Motiv ausgestattet, versah dann treu ihren Dienst, bis in die 1990er Jahre. Der damalige Präsident Carl Josef Winkels, Goldschmied von Beruf, legte auch hier Hand an und stellte selber aus Messing eine Fahnenspitze her, welche er mittels einer Gravur signierte und in die er die Jahreszahl 1956 einschlug. Diese Fahne konnte im Jahre 2016, neben dem Nachkriegsarchiv im bruderschaftseigenen Raum, wieder aufgefunden werden wie schon berichtet . Im Jahre 2018 wurde sie dann mit besonderer finanzieller Hilfe der Stadtsparkasse Mönchengladbach aufwändig im Kloster Mariendonk in Grefrath restauriert. Zur Festmesse anlässlich des diesjährigen Schützenfestes am 9 September wird dieses beeindruckende Zeitdokument nach 1956 zum zweiten mal gesegnet und danach auch wieder in Dienst gestellt. Aus diesem besonderen Anlass ziert die Fahne auch die Vorder-und Rückseite des diesjährigen Festheftumschlags. 

Vor und nach der Restaurierung 
Wir wenden uns nun der zuletzt, anlässlich des 575-jährigen Bestehens im Jahre 1997, angeschafften Fahne der Bruderschaft zu. 
Rechtzeitig vor dem großen Jubiläum konnte die neue Fahne aus blauem-und altgoldenem Damast in Auftrag gegeben werden. Auf der einen Seite natürlich wieder mit einem Abbild des Bruderschaftspatrons, dem hl. Vitus, und auf der anderen Seite mit einem Bild der Münsterbasilika bestickt. Die Fahnenfabrik Kössinger aus Schierling bei Regensburg lieferte zum Preis von 7000 DM ein künstlerisch wertvolles Unikat, welches bis heute das Prunkstück unserer Bruderschaft ist. 

Im Fenster des Rathauses Abtei präsentierte der stolze Präsident Ferdi Stappen vor zahlreichen wartenden Fotografen die tolle, aus edelsten Stoffen gefertigte Fahne dem damaligen Oberbürgermeister Heinz Feldhege und dem Schirmherrn des damaligen Jubiläums, Ralf Allmich von der Hannen Brauerei. 
Auch in den schwierigsten Zeiten schaffte unsere heutige vereinigte Vitus-Laurentiusbruderschaft immer wieder Fahnen an, sei es wenn durch Kriegseinwirkungen die sonst gut verwahrten Stücke beschädigt oder abhanden gekommen waren, oder wenn, wie im Falle der ersten Nachkriegsfahne, der normale Verschleiß schon recht fortgeschritten war. 
Schon früh besaß die Vituswie auch die Laurentiusbruderschaft eigene Fahnen und es wurden sogar kostbare Silberplatten vom Königssilber verkauft oder eingeschmolzen, um wieder eine neue Fahne finanzieren zu können. Allein hieran mag man die besondere Bedeutung solcher Fahnen und ihre besondere Symbolkraft für unsere Bruderschaften ermessen. 
Die Gründung der Stadt auf einem Hügel, dem heutigen Abteiberg, spielte sich, wie von vielen Historikern beschrieben, wohl zweifelsfrei auf dem Gelände zwischen der Hauptpfarrkirche, der heutigen„Citykirche“, und der Münsterbasi
lika ab, wobei die Hauptpfarrkirche die Ältere der beiden ist. 


Bis heute ist der heilige Vitus sowohl Patron der Stadt als auch der Münsterbasilika und seit 1422 auch der altehrwürdigen Vitusbruderschaft, welche bis heute an der Münsterkirche beheimatet ist. 
Nachdem sich die Stadt schon früh über die mittelalterlichen Mauern ausgedehnt und sich neue Stadtteile gebildet hatten, entstanden in der Folge auch dort neue Bruderschaften. Uralte Bruderschaften, die z.T. auf das 15. Jahrhundert zurückgehen, allerdings mit der Kernstadt Gladbach in ihrer früheren Ausdehnung alleine schon geographisch nichts zu tun hatten, bildeten sich auch in Hardt, Rheindahlen und Giesenkirchen. 
Ich hoffe, mit den nun vorliegenden drei Aufsätzen über die Geschichte unserer Bruderschaft im Allgemeinen, über den Silberschatz und nunmehr über unsere Fahnen, ein wenig Licht in den langen Zeittunnel gebracht zu haben, welchen unsere Bruderschaft seit nunmehr fast 600 Jahren durchschritten hat. 
Als Quellen dienten mir im Besonderen die Werke von Wilhelm Ewald „Die Rheinischen Schützengesellschaften“, aus dem Jahre 1933, und von Christoph Nohn „Bruder sein ist mehr“, aus dem Jahre 2000. Darüber hinaus fanden sich wichtige Dokumente über die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg in unserem Bruderschaftsarchiv. Christoph Nohn hat in seinem Werk versucht, den ursprünglichen Gründungszweck, gerade auch der alten Bruderschaften im Gladbacher Land, deren Historie zum Teil bis auf das 14. Jahrhundert zurückgeht, zu ergründen, was sich aber besonders für unsere Bruderschaft als recht schwierig erwiesen hat. Sein Buch ist als Lektüre für alle, die mehr über die Geschichte des Schützenwesens erfahren wollen, besonders zu empfehlen. 
Vermutlich würde sich eine neuerliche Sichtung und Auswertung sämtlicher Quellen, die sich nur auf unsere Bruderschaft beziehen und sich im Stadt-und Münsterarchiv, sowie in anderen Archiven noch befinden sicher lohnen. 

Mönchengladbach, im Juli 2018 
Willi Kempers 
 

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